Freitag, März 29, 2024
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Interview und Fotoproduktion mit Rea Garvey für die Ausgabe #21 des TEASER Magazines.

Fotos: Olaf Heine c/o olafheine.com //

Styling: Sonja Kreuzburg c/o sonjakreuzburg.com //

Hair & Make-up: Ines Tschirpke c/o ines-t.de //

Styling Assistenz: Neves Schander //
Foto Assistenz: Felix Strosetzki c/o strosetzki.com //

Wir kennen ihn durch den 2000er Hit „Supergirl“ mit seiner damaligen Band Reamonn, nun als erfolgreichen Solokünstler und schließlich als Jurymitglied von „The Voice of Germany“ – wie die tatsächliche Stimme und Stimmung Deutschlands, wenn gar der Welt, zu sein scheint, darüber hat Rea Garvey seine ganz eigene Meinung. Und dieser lässt er auf seinem neuen Album „Prisma“ freien Lauf. Auch wir erfahren von dem charismatischen Typen, wie er die Realität sieht. Und wie viel von ihr tatsächlich in Rea steckt.

Ein Prisma macht Dinge sichtbar, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind und verändert Sichtweisen. „Prisma“ ist auch der Titel deines neuen Albums. Was sollen wir erkennen? Ich glaube die Dinge, die uns besonders machen, werden durch die Gesellschaft und Social Media mit einer „One size fits all“-Kultur relativiert. Ich bin in einer Generation groß geworden, die nonkonform war und in der man aus gesellschaftlichen Normen ausgebrochen ist. Ich mag die Angepasstheit nicht, obwohl man sich ihr in einigen Situationen natürlich nicht entziehen kann. Aber sie sollte nicht die Norm werden. Das Ideal des Internets, eine Plattform zu bieten, in der jeder seine Meinung frei äußern kann, führt auch dazu, dass die einzelnen Stimmen nicht gehört werden. Personen, die in ihrer eigenen Meinung nicht sicher sind, sind meist diejenigen, die mit ihrer virtuellen Stärke die Fähigkeit besitzen, andere zu überzeugen – aber viele, die wirklich gehört werden sollten, werden von der digitalen Welle des Internets überschwemmt. // In deinem neuen Album, was am 2. Oktober erscheint, thematisierst du vor allem das aktuelle Weltgeschehen und machst darauf aufmerksam, dass „die Welt in Flammen steht“. Was brennt deiner Meinung nach am heftigsten? Eigentlich suche ich immer eine positive Lösung für ein Problem. Ich kann nicht glauben, dass es keine Lösungen gibt. Meiner Meinung nach haben die Leute ihre Stimme ver- loren und die Minderheit wird überrepräsentiert, sodass die Mehrheit durch einen Media-Hype und die Angst, durch die Einstellung „das Schlimmste steht uns noch bevor“, überwältigt wird.

Ich versuche in der Realität und im Jetzt zu leben: Für
jede schlechte Person, die etwas Böses will, gibt es
tausende gute Menschen, die bereits viel Gutes tun
und für jeden, der Hass in sich trägt, gibt es wieder
tausende Leute, die lieben. Social Media hat die Mög-
lichkeit, die Boshaftigkeit des einzelnen aufzubau-
schen, als wäre es die Meinung der Gesellschaft. Wir
müssen laut werden, die Mehrheit, die Sozialbewuss-
ten müssen ihre Stimme erheben und etwas Realität
in das sonst falsche Bild der Öffentlichkeit bringen.
// Du bist also Optimist: „Jeder Sünder hat eine Zukunft und jeder Heilige eine Vergangenheit“, zitierst du gern Oscar Wilde. Für uns alle besteht also immer Hoffnung? Wir haben bereits große Kämpfe sozialer Unruhen überlebt, sogar Kriege. Mein eigenes Land ist immer noch dabei, von der zivilen Aufruhr zu genesen. Aber in Zeiten von Krisen werden auch Helden geboren, die uns alle zu Klarheit und Vergebung führen. Ich bin der Überzeugung, dass die meisten Menschen gut sind oder zumindest etwas Gutes in sich tragen – manchmal muss man es nur aus ihnen herauskitzeln. // Mit „Prisma“ kritisierst du die Welt und gleichermaßen dich selbst, denn du bist Opfer und Täter zugleich. In welchen Situationen bist du beides? Ich weiß, dass ich naiv bin: Ich glaube eine Geschichte, erzähle sie weiter und realisiere erst später, dass sie eine Finte war. In so einem Fall bist du Opfer und Täter zugleich. Ich muss lernen, erst nachzudenken und dann zu reden, die Fakten zu checken, bevor ich zum Kreuzritter werde. Sonst kämpft man am Ende für die falsche Seite. // Denkst du, es ist deine Verantwortung als Musiker, auf die Unordnung in der Welt aufmerksam zu machen, diese zu kommen- tieren? Absolut. Es ist unsere soziale Verantwortung, die Geschehnisse in der Gesellschaft zu beobachten und zu kommunizieren. Während der Besetzung Irlands haben die Iren ihre Geschichte festgehalten, indem sie Songs aufgenommen haben, sodass die Welt ihre Not nicht vergisst. Es ist nicht nur wichtig, den heutigen Wahnsinn, in der Hoffnung eines Umdenkens, zu kommentieren, man muss auch sicherstellen, dass er nicht vergessen wird. // Musik dient also nicht nur der Unterhaltung? Es kommt darauf an, wie man sich selbst als Musiker sieht: Wenn du denkst, dein Geschenk an die Leute ist es, sie zum Tanzen zu bringen, dann ist es auch das, was du machen solltest. Wenn du aber das Gefühl hast, deine Gabe ist es, Leute zum Nachdenken zu bewegen, dann ist es deine Pflicht sowohl zu informieren als auch zu inspirieren. // Du meintest zu deinem letzten Album, „Pride“ (2014), dass du Stolz auf deine Wurzeln bist und darauf, dass sie den Weg in deine Musik gefunden haben. Wie können wir das verstehen, ist deine Musik „irischer“ geworden? Jedes Album ist eine Ausgangsbasis meines Lebens und auf dem letzten Album habe ich Songs veröffentlicht, die ich immer schreiben wollte, aber nicht konnte. Als wir begannen „Pride“ zu schreiben war es, als wenn mich ein Magnet in die Vergangenheit und die Geschichten meines Aufwachsens zieht, in das Leben, das ich in Irland hatte und liebte. Ich glaube das „Irischsein“ ist weniger ein Stil als eine Emotion. Wir können die Melancholiker sein, aber auch eine Inspiration, eine Motivation. Und wir können auch zum Feiern aufru- fen! // Bei dir zuhause in Irland herrschte eine militärische, katholische Strenge, zum einen weil ihr acht Kinder wart, und sonst wahrscheinlich Chaos geherrscht hätte, zum anderen, weil dein Vater bei der Polizei war. Du hast einen ganz anderen Weg eingeschlagen, hast in deiner Jugend auch viel angestellt. Wolltest du absichtlich ausbrechen? Definitiv. Aber nicht unbedingt wegen meiner Erziehung. Ich wollte für mich selbst herausfinden, was das Leben für mich bereithält und wo ich stehe. Um ehrlich zu sein war mein Heranwachsen und die

Beziehung zu meinen Eltern eine sehr gesunde und eine, die ich würdige. Ich glaube das hat mich dahingehend gestärkt, auch mal „Nein“ zu etwas zu sagen, das ich sonst mein Leben lang bereut hätte. Ich wusste trotzdem, was auch im- mer passiert, die Tür zuhause ist offen – und das weiß ich auch jetzt noch. // Meinst du, Kinder werden generell gern das Gegenteil ihrer Eltern? Es ist gesund seinen eigenen Weg gehen zu wollen, ohne zwangsläufig in die Fußstapfen der

Eltern zu treten. Ich glaube, um diese Lebensreise anzutreten tendiert man dazu, zu rebellieren und sich gegen die Wünsche der Eltern zu stel- len, um noch mal deutlicher zu machen, dass man seinen eigenen Weg geht. Das ist ein natürlicher Prozess. // Wie hältst du es mit Gegenteilen? Sind Gegensätze und Kontraste wichtig in deinem beruflichen, aber vor allem in deinem privaten Leben? Brauchst du Kontraste, um Anderes Wert zu schätzen? Die Herausforderung im Leben ist es, mit Gegensätzen jeglicher Form zu koexistieren. Wenn wir alle gleich wären, wäre das Leben ziemlich langweilig und unwichtig. Also ist die Notwendigkeit der Unterschiede toll. Ich glaube Kontraste erzeugen Spannung in einem positiven und negativen Sinne und wir brauchen die Reibung und müssen manchmal aufeinanderprallen, um uns zu ändern. // Du bewunderst irische Lyriker wie Patrick Kavanagh und Seamus Heaney. Warum? Seamus Heany habe ich mal getroffen, bevor er gestorben ist. Es war eine Ehre, sich und Erfahrungen mit ihm auszutauschen, er war ein großartiger Poet. An ihm und an Patrick Kavanagh mag ich die Einfachheit ihrer Worte und das Verständnis für ihre Arbeit – ich fühle mich immer zuhause, wenn ich ihre Zeilen lese. // Dein Verständnis für deine Arbeit beinhaltet auch, deine Songs selbst zu schreiben. Wie autobiografisch bist du dabei? Sehr: Die meisten Lieder handeln von Dingen, die ich durchlebt habe oder die ich herbeisehne. // Fällt es dir nicht schwer, dein Inneres mit so vielen fremden Menschen zu teilen? Nein, ich schreibe nur Wörter, die ich zu jedem auf der Straße sagen würde – zu Freund oder Feind. // Ob im Fernsehen bei The Voice, auf der Bühne oder wenn man dich persönlich trifft – du wirkst immer authentisch. Hast du trotzdem eine private und eine professionelle Seite? Oder bist du immer der gleiche, überall? Ich glaube ich bin auf und neben der Bühne derselbe. Ich bin nicht so komplex, dass ich zwei verschiedene Leben führen könnte. Für mich war es immer einfacher, die Wahrheit auszusprechen, anstatt zu lügen. Manchmal habe ich für diese große Klappe auch eine dicke Lippe riskiert, aber so fühle ich mich wohl in meiner Haut. // Für dich und deine Songs hast du dich zu Recherche-Zwecken für dein Debüt als Solokünstler, damals nach dem Ende deiner Band Reamonn, mal eine Zeit treiben lassen – in Nashvilles Saloons, New Yorker Bars, am Strand von Miami oder in London’s Night Club Szene. Raus aus der Comfort-Zone, um „herauszufinden, wo die eigenen Grenzen sind.“ Hast du sie gefunden? Manchmal mag ich es, Fehler zu machen, um mein Herz zu spüren und mir selbst näher zu sein. Ich würde niemals jemand werden wollen, den mein Teenager-Ich gehasst und gegen den es rebelliert hätte. Ich war nie- mals eine schlechte Person, die Böses getan hat, ich war immer ein gu- ter Mensch, der manchmal einfach Scheiße baut! // Du tust auch viel Gutes, vor allem für andere. In Ecuador unterstützt du ehrenamtlich den zurückgezogenen Huaorani-Stamm im Rahmen des Clearwater- Projects. Was ist an dem Projekt und den dortigen Menschen besonders? Das „Clearwater Project“ in Ecuador ist wirklich etwas, worauf ich stolz bin. Unsere Arbeit dort rettet Leben und verändert sie, auch meines. Die Leute dort faszinieren mich weniger, als dass ich mich mit ihnen verbunden fühle. Wir helfen einander, die beste Version von uns zu sein. Es sind tolle Menschen, die Hilfe brauchen und darin habe ich meinen Platz gefunden. // „Man wächst und lernt sein ganzes Leben lang“ – das ist ein Spruch der Huaorani. Kannst du das ebenfalls unterschreiben? Ja, das ist das, was ich von den großartigen Ureinwohnern Ecuadors gelernt habe. Ich habe erkannt, dass es keinen Stillstand im Leben gibt, es gibt nur Wachstum und Entwicklung. An jedem Tag sollte man einfach machen und lernen – „Learning by do-ing“. Ein älterer Mensch, der keine Bäume mehr klettern oder jagen kann, kann eine neue Bestimmung für sein Leben finden und mit ihr genauso wichtig für seine Leute und seine Familie sein. Ich liebe die Lebhaftigkeit der Menschen, die ich in Ecuador getroffen habe, sie sind näher am Puls des Lebens, als ich es jemals war. // Und was machst du, damit eben keine Routine einkehrt? Es geht um Kreativität: Wenn du jeden Tag dasselbe machst, wirst du auch immer dieselben Songs schreiben. Also ist es wichtig, aus seinem Leben auch mal auszubrechen, um neue Musik zu finden. // Außer der offensichtlichen Leidenschaft für Musik, und dein Talent, was treibt dich an, Musik zu machen und sie mit der Öffentlichkeit zu teilen? Es ist der Drang nach Selbstverwirklichung. Ich glaube nicht, dass ich meinen Zenit schon erreicht habe und so werde ich weitermachen, bis ich denke, dass ich angekommen bin. Musik zu schreiben ist etwas, das ich liebe und ich verbessere mich mit jedem Song. Auch die Reaktion des Publikums zu neuer Musik ist definitiv ein Motivator, aber ich bemerke immer wieder, wie ich mich in der Musik verliere, und nicht weiß, wohin sie mich führt. Das macht das Ganze natürlich etwas spannender! // „It’s a good life“ ist einer deiner Songs vom letzten Album. Bist du dankbar für dein Leben? Beklagen wir uns alle auf recht hohem Niveau? Man wird dort geboren, wo man geboren wird und diejenigen, die viel haben, haben auch viel Verantwortung, denjenigen zu helfen, die mit wenig existieren müssen. Wenn du das Leben herausforderst, willst du immer mehr, und das ist auch nicht falsch. Es ist aber wichtig, seine Verantwortung anderen gegenüber nicht zu vergessen. Für mich ist das Leben das größte Geschenk. Da ich auch Dritte-Welt-Länder kennengelernt habe, weiß ich, wie gut es uns hier geht und so bin ich sehr dankbar, dass ich mein Leben so führen kann, wie ich es tue. // Vor jedem Auftritt betest du. Du bist gläubig, gehörst aber keiner bestimmten Religion an. An was glaubst du?
Ich glaube an Gott und das Gebet ist die Art, mit ihm zu sprechen, es gibt mir Kraft und spendet Trost. // Du hast nach eigener Aussage lange gebraucht, um deinen Glauben zu finden, musstest erst viel falsch und dann viel richtig machen. Gab es einen Schlüsselmoment? Nein, ich glaube ich habe Jahre gebraucht, alle Fragen in meinem Kopf zu klären und irgendwann habe ich mehr gebetet, als dass ich verlangte, und mehr geglaubt als zu hinterfragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass alles möglich ist und mein Glaube ist der Grund dafür. // In einem deiner Songs des letzten Albums, „Bow Before You“, warnst du, Träume von Reichtum mit Glück gleichzusetzen. Was ist echtes Glück für dich? Es ist interessant, dass die meisten erfolgreichen und wohlhabenden Leute versprechen, der Welt ihren Reichtum für soziale Projekte zu spenden, in der Hoffnung auf eine bessere Welt. Geld war niemals mein Ziel. Ich wollte immer mein Bestes erreichen und wenn ich das geschafft habe, dann habe ich auch das Gefühl, dass ich die Erde etwas besser verlasse, als ich sie betreten habe. Das ist zumindest die Hoffnung. // Apropos: Bist du eher ein Träumer oder ein Realist? Wie viel REAlität steckt in Rea? Die Realität beschäftigt mich sehr und doch verbringe ich viel Zeit damit zu träumen, was sein könnte. Ich glaube ich halte ein gesundes Gleichgewicht. Allerdings kann die Realität manchmal auch sehr hart sein und „Walter Mittys Geheimleben“ von James Thurber habe ich in meiner Kindheit am liebsten gelesen – also habe auch ich wahrscheinlich nie die Fähigkeit verloren, die Realität für eine Weile zu verlassen, um den Traum zu leben. // Was ist denn traumhaft, was ist der perfekte Moment für dich? Wann wäre alles so, wie es sein soll? Die fast letzte Antwort in einem langen und guten Interview zu beantworten, während der Grill im Hintergrund an ist, meine Familie um mich herumspringt und ich schon ein paar Flaschen deutsches Bier vorkühlen konnte – der perfekte Moment ist also jetzt. // Und was wäre dein Horror-Szenario? Dass jemand das Bier findet! T

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